Bildgeführte Präzision:
Die interventionelle Radiologie
Die interventionelle Radiologie ist ein Teilgebiet der Radiologie, bei dem nicht die Diagnosefindung, sondern aktive Behandlungsmethoden unter radiologischer Bildsteuerung (Angiografiegerät, Ultraschall, CT) im Fokus stehen. Das bedeutet, dass bildgebende Untersuchungsverfahren genutzt werden, um gezielt und hochpräzise therapeutische und diagnostische Eingriffe vornehmen zu können. Meist ist dafür eine örtliche Betäubung ausreichend, nur selten ist eine Narkose notwendig. Damit sind die Verfahren äußerst schonend für die Patienten. Bei allen Methoden handelt es sich um minimalinvasive Eingriffe.
Anwendungsgebiete
Die Schaufensterkrankheit wird durch Engstellen an den Beinarterien hervorgerufen. Während in Ruhe eine ausreichende Sauerstoffversorgung des Gewebes besteht, kommt es bei Belastung (Gehen, Stiegensteigen etc.) zu einer Sauerstoffminderversorgung. Dies führt vereinfacht gesagt zu einer Übersäuerung des Gewebes, die typische krampfartige Schmerzen hervorruft. Nach einer kurzen Erholung ist die Sauerstoffnot wieder beseitigt und es ist wieder möglich, eine gewisse Gehstrecke schmerzfrei zu bewältigen. Die schmerzfreie Wegstrecke hängt vom Ausmaß der Gefäßengstellen ab. Vereinfacht gesagt können betroffene Patienten von einem Schaufenster zum nächsten gehen – daher die Bezeichnung der Krankheit.
Mit interventionell-radiologischen Verfahren können diese Engstellen beseitigt werden und die Symptome verschwinden oder sind gemildert. Eingriffe am Gefäßsystem, wie sie bei der Behandlung von Manifestationsformen der Arteriosklerose der Fall sind, werden typischerweise über eine Arterienpunktion in der Leistenbeuge oder am Arm durchgeführt. Mit Kathetern können Gefäßengstellen gedehnt werden, oft kommen dabei auch Gefäßstützen, sogenannte Stents, zum Einsatz. Die Eingriffe sind weitgehend schmerzlos und werden zumeist im Rahmen eines kurzstationären Aufenthalts mit einer Dauer von 1 – 2 Tagen durchgeführt.
Die Arteriosklerose kann aber auch den genau gegenteiligen Effekt haben, bei dem es nicht zu einer Einengung des befallenen Gefäßes, sondern zu einer Ausweitung, einem sogenannten Aneurysma, kommt. Die arteriosklerotischen Veränderungen führen zu einer Gefäßwandschwäche. Die geschwächte Gefäßwand kann dem Blutdruck nicht standhalten, sie gibt nach und es kommt zu einer Aneurysmenbildung. Auch hier können mittels interventionell-radiologischer Verfahren effektive Behandlungskonzepte angeboten werden. Mit sogenannten Endoprothesen wird das aneurysmatisch veränderte Gefäß von innen verstärkt, wodurch einem allfälligen Platzen des Aneurysmas, was eine schwerwiegende Blutung hervorrufen könnte, vorgebeugt wird. Auch diese Verfahren werden über Punktionsstellen, zumeist in der Leistenregion, durchgeführt.
Diese beiden oben beschriebenen Verfahren sind nur ein kleiner, wenn auch zumeist am besten bekannter Teil des interventionell-radiologischen Eingriffsspektrums. Am Arteriensystem haben gefäßverschließende Verfahren (sogenannte Embolisationen) zumindest ebensolche Bedeutung wie gefäßeröffnende Verfahren (Ballondehnung und Stentimplantation).
Gefäßverschließende Verfahren
Embolisationen werden bei folgenden Indikationen typischerweise zum Einsatz gebracht:
■ Akute arterielle Blutungen: Hierbei handelt es sich zumeist um Notfälle. Solche Blutungen können infolge von Verletzungen (Unfällen) auftreten. Mitunter kann es zu postoperativen Blutungen kommen. Die Notfallembolisation kann Patienten eine mitunter belastende Re-Operation ersparen.
■ Tumorembolisationen können mit therapeutischem Ansatz in Form von sogenannten Chemoembolisationen zum Einsatz kommen. Ist eine Resektion eines stark durchbluteten Tumors geplant, kann ein präoperative Embolisation das Blutungsrisiko bei der Operation reduzieren.
■ Behandlung von Uterusmyomen (Gebärmutterknoten): Durch eine Embolisation über die Arteria uterina (zuführende Arterie zur Gebärmutter) können Myome zum Schrumpfen gebracht werden, wodurch es zu einer Linderung oder völligen Rückbildung der Beschwerden (Blutungen, Schmerzen) kommt.
■ Behandlung gutartiger Prostatavergrößerungen: In Analogie zur Uterusembolisation erfolgt hier die Embolisation der Arteria prostatica, was einen Schrumpfungsprozess der Prostata einleitet, wodurch es zu einer Beschwerdelinderung kommt.
■ Embolisation bei chronischen muskuloskelettalen Zuständen (Frozen Shoulder, Tennisellbogen, Plantartendinose etc.)
■ Embolisation von Gefäßmissbildungen.
■ Embolisation bei chronisch degenerativ bedingten Gelenkschmerzen (in einem Stadium, in dem eine ständige Schmerzmitteleinnahme nötig, aber noch kein Gelenkersatz geplant ist)
Wiedereröffnende Verfahren
In Analogie zum arteriellen Gefäßsystem können auch Eingriffe am Venensystem durchgeführt werden. Wiedereröffnende Verfahren können insbesondere beim sogenannten postthrombotischen Syndrom (PTS), bei dem die Beckenarterien durch eine abgelaufene Thrombose eingeengt oder verschlossen sind, eine Beschwerdelinderung bringen. Leider wird dieser Aspekt der interventionellen Radiologie viel zu wenig beachtet, sodass Patienten, denen mit einer Rekanalisation der Beckenvenen gut geholfen werden könnte, lange Zeit an chronischen Beingeschwüren leiden.
Diese kurze Darstellung der Möglichkeiten der interventionellen Radiologie hat sich nur auf den vaskulären Bereich bezogen. Zumindest ebenso viele Möglichkeiten könnten im Bereich der nonvaskulären Interventionen angeführt werden, wie zum Beispiel verschiedenste Drainageverfahren oder Tumorablationen mit Hitze (Mikrowellenablation) oder Kälte (Cryoablation).
Allen interventionell-radiologischen Verfahren ist gemeinsam, dass sie bildgebungskontrolliert, also sehr exakt, und für den Patienten sehr schonend und weitgehend schmerzfrei sind. Oft ist es möglich, Patienten mit diesen minimalinvasiven Verfahren eine Operation zu ersparen.
Kontakt und weitere Informationen
Univ.-Prof. Dr. Klaus A. Hausegger
Facharzt für Radiologie
Belegarzt in der Privatklinik Maria Hilf
T: +43 (0)463 5885-0
E: ka.hausegger@gmx.at