Nervenschmerzen
Das Nervensystem des Menschen ist neben vielen anderen Aufgaben auch für die Schmerzwahrnehmung und -weiterleitung in das zentrale Nervensystem zuständig.
Im Rahmen eines sogenannten neuropathischen Schmerzsyndroms ist jedoch der Nerv selbst betroffen. Hier können Nerven entweder durch eine Verletzung von außen geschädigt werden oder aber durch eine Fehlfunktion Schmerzsignale auslösen.
Das Schmerzsystem des Menschen hat seine Zentrale in den Schmerzzentren des Gehirns. Über Verbindungen des Rückenmarks treten Nervenfasern über die sogenannten Nervenwurzen aus der Wirbelsäule aus und verlaufen dann als einzelne Nerven im ganzen Körper (z. B. in den Extremitäten). Je nach dem Ort der Schädigung unterscheiden wir zwischen zentralen (Gehirn und Rückenmark) und peripheren (Nervenwurzel und peripherer Nerv) Neuropathien.
Zentrale und periphere Neuropathien
Typische zentrale Neuropathien sind zum Beispiel Schmerzsyndrome, die im Anschluss an Schädigungen des Gehirns und Rückenmarks auftreten, sie können etwa durch einen Schlaganfall, Multiple Sklerose oder eine Epilepsie ausgelöst werden.
Viel häufiger sind jedoch die peripheren Nervenschmerzen, sie treten zum Beispiel bei einem Bandscheibenvorfall (Discusprolaps) mit Nervenbeteiligung, Kompressionssyndromen des peripheren Nervs (z. B. Karpaltunnelsyndrom), nach Infektionskrankheiten wie der Gürtelrose (Herpes zoster) oder als Phantomschmerzen nach Amputationen auf. Auch Stoffwechselstörungen wie Diabetes können die Nerven langfristig schädigen, hier entwickelt sich in vielen Fällen eine sogenannte Polyneuropathie.
Symptome der Neuropathien
Die typische Schmerzqualität eines neuropathischen Schmerzes unterscheidet sich stark von anderen körperlichen Schmerzen, und zwar berichten die Patienten häufig über sehr unangenehme brennende Missempfindungen, die manchmal auch "plötzlich und einschießend" sein können, gelegentlich auch "wie ein Stromschlag" auftreten würden (häufig bei der Trigeminusneuralgie). Einige Patienten beschreiben auch ein Kribbeln und Kälteempfindungen sowie ein permanentes "Ameisenlaufen", aber auch häufig ein bestehendes Taubheitsgefühl.
In diesem Zusammenhang finden sich darüber hinaus auch noch sehr spezifische Symptome bei neuropathischen Schmerzen, so wird bei der sogenannten Allodynie ein Schmerz durch einen Reiz ausgelöst, der normalerweise nicht schmerzhaft ist, wie etwa eine Berührung.
Hierbei wird eine übertriebene Schmerzantwort ausgelöst, sodass Patienten z. B. „die Bettdecke in der Nacht nicht an den Beinen tolerieren können“.
Aufgrund der unangenehmen Schmerzqualität neuropathischer Schmerzen und dem häufig ungenügenden Ansprechen auf normale Schmerzmedikamente entsteht bei später Diagnosestellung oftmals ein chronischer Verlauf. Außerdem wird aufgrund der Schwere der klinischen Beschwerden eine starke subjektive Belastung erlebt, die rasch die Lebensqualität und Alltagstauglichkeit einschränken kann. Der Charakter des neuropathischen Schmerzes, verbunden mit begleitenden Schlafstörungen, ist auch häufig Auslöser für eine psychische Mitbeteiligung. Hier finden sich alle möglichen Krankheitsbilder - von Depressionen bis zum Substanzmissbrauch.
Diagnose
Der erste wichtige Schritt zur Diagnose eines neuropathischen Schmerzsyndroms ist die Schilderung der Symptomatik durch den Patienten. Im Anamnesegespräch werden die Lokalisation, die Intensität und Qualität der Schmerzen und die damit verbundene Beeinträchtigung erhoben. So lässt sich meist das neuroanatomische Gebiet auf eine mögliche Schädigung eingrenzen. Anschließend erfolgt die neurologische Untersuchung, die auch eine Ultraschalluntersuchung oder die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit beinhalten kann. In den meisten Fällen wird zusätzlich eine apparative Untersuchung mittels Magnetresonanztomographie oder Computertomographie durchgeführt.
Durch dieses Vorgehen und auch unter Einbeziehung anderer Fachgruppen lässt sich zumeist eine exakte diagnostische Zuordnung treffen, wonach gemeinsam mit dem Patienten die Planung des weiteren Vorgehens erfolgt.
Behandlungsmöglichkeiten
Therapeutisch ist es häufig sinnvoll, eine ursächliche Therapie anzustreben, das heißt, dass z. B. ein Bandscheibenvorfall oder Nervenengpass operativ beseitigt werden, in bestimmten Fällen ist aber auch hier ein konservatives Vorgehen möglich.
Die Medikamente, die bei neuropathischen Schmerzen verwendet werden, unterscheiden sich grundsätzlich von anderen Schmerzmitteln und werden individuell angepasst. Die Wirkmechanismen dieser Substanzen beruhen, vereinfacht ausgedrückt, auf einer Stabilisierung der Nervenmembranen und haben auch einen günstigen Einfluss auf die beteiligten Transmitter (Botenstoffe) im Nervensystem. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass es trotz manchmal notwendiger längerer Therapiedauer zu keiner Gewöhnung oder Abhängigkeit dieser Substanzen kommt.
Bei bestimmten Erkrankungen, bei denen großflächige Hautareale betroffen sind (Zustand nach einer Gürtelrose), finden sich weitere Therapieverfahren wie z. B. Schmerzpflasteranwendungen und lokal therapeutische Maßnahmen. Ein ebenso sehr wichtiger Bestandteil des Behandlungskonzeptes ist die begleitende Ergo- und Physiotherapie, manchmal auch Psychotherapie.
Bei ungenügender Wirksamkeit kommen auch invasive Verfahren wie z. B. Infiltrationen oder auch Schmerzsondenimplantationen in Betracht.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass eine Heilung der neuropathischen Schmerzsyndrome in manchen Fällen möglich ist, eine zufriedenstellende Linderung lässt sich nahezu immer erreichen. Im Rahmen von chronischen neuropathischen Schmerzsyndromen empfiehlt sich ein interdisziplinäres Therapieregime, welches neben der Schmerzreduktion auch die Verbesserung der Schlafqualität und der sozialen Aktivität sowie die Arbeitsfähigkeit mitberücksichtigt.
Kontakt und weitere Informationen
Dr. Gustav Raimann
Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapeut
Lehrtherapeut der Österreichischen Ärztekammer
Privatklinik Maria Hilf