Zukunftsausblick:
Die künstliche Niere
Die Nierenersatztherapie, auch Dialyse genannt, gehört zu den großen Errungenschaften in der Medizin. Damit kann die Organfunktion der Niere zum Teil ersetzt werden und erlaubt dem Menschen ein Überleben nach dem Auftreten eines akuten oder chronischen Nierenversagens. Jedoch bestehen für die Patienten nach wie vor Problematiken, die sie in ihrer Lebensqualität einschränken. Doch es gibt neue Perspektiven.
Ein Rückblick
1945 wurde die erste erfolgreiche Dialyse bei einem Patienten mit akutem Nierenversagen durchgeführt. Etablieren konnte sich die Dialyse als breit verfügbares Verfahren jedoch erst Anfang der 1970er Jahre. Ursache für diese lange Entwicklungszeit war die Abhängigkeit von neuen technischen Möglichkeiten, einen Dialysefilter herstellen zu können, der vom Patienten vertragen wurde und zusätzlich ausreichende Filterfunktionen in Bezug auf Entgiftung und Entwässerung aufweisen konnte.
Auch die Entwicklung von Dialysegefäßzugängen, die über lange Zeit im Körper des Patienten verbleiben können, dauerte ihre Zeit. Seit circa einem halben Jahrhundert wird die Dialyse als Routineverfahren, als Hämodialyse oder Bauchfelldialyse, durchgeführt.
Entwicklung und Problematik
In den letzten Jahren gab es sowohl in technischer als auch in medikamentöser Hinsicht beachtliche Entwicklungen: Aussicht auf neue Medikation gegen den bei vielen Patienten bestehenden, sehr belastenden Juckreiz sowie neue Medikamente zur Behebung der bei vielen Patienten bestehenden Blutarmut. Typische Belastungen sind den Patienten aber geblieben: Seien es die dreimal wöchentliche Anfahrt zu den Dialyseeinrichtungen, die Kreislaufbelastungen durch den Flüssigkeitsentzug bei der Behandlung oder die notwendige Gefäßpunktion, um die Dialyse durchzuführen.
In Österreich sind wir in der glücklichen Lage, dass wir ein sehr aktives Transplantationsprogramm haben, von dem zuletzt über 400 Menschen jährlich profitieren konnten. Die Kehrseite: die ständige Einnahme von Medikamenten, die eine Abstoßung verhindern, dadurch das Immunsystem des Patienten beeinflussen und somit ein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen. Zudem sind aus unterschiedlichen Gründen nicht alle Menschen für eine Transplantation geeignet.
Ein neuer Lichtblick
Nachdem bereits tragbare Dialysegeräte im täglichen Einsatz sind, die aber aufgrund ihrer Größe nach wie vor eine Herausforderung für den Patienten darstellen, hat man vor einigen Jahren an der Universität von San Francisco und der Vanderbilt-Universität in Nashville das sogenannte „Nierenprojekt“ gestartet.
Artificial Kidney - die künstliche Niere
Nun ist es gelungen, eine künstliche Niere zu entwickeln, die in den Körper des Individuums eingebaut werden kann, keine Pumpe für den Antrieb, keine Blutverdünnung und keine Medikamente gegen eine Abstoßung benötigt.
Die Aussichten sind sehr ermutigend, aber der Einsatz am Menschen dürfte nach Rücksprache mit dem zuständigen Entwicklungsleiter frühestens in zwei Jahren möglich sein. Im Tierversuch läuft diese Niere schon. Dem Leiter des Projekts an der Universität von San Francisco am Institut für Bioengeneering, Prof. Shuvo Roy, ist es in langjähriger Forschung gelungen, nun eine künstliche Niere zu bauen, die so klein wie ein iPhone ist und die Nierenfunktion zum Großteil übernehmen kann.
Die künstliche besteht aus einer Filtereinheit und einem sogenannten Bioreaktor, der beispielsweise die Kontrolle des Säure-Basen-Haushalts und der Blutsalze übernimmt. Möglich war die Entwicklung der Artificial Kidney durch die Errungenschaften in der Halbleiterindustrie, wo sogenannte Rohlinge für die Herstellung von Mikrochips entwickelt wurden. Dadurch konnten silikonbeschichtete Membranen entwickelt werden, die als Filter dienen und die überschüssige Flüssigkeit und einige Giftstoffe des Patienten entfernen können. Weiters wurden Membranen entwickelt, die mit menschlichen Nierenzellen beschichtet werden und so gewisse Funktionen der Niere zusätzlich übernehmen können. Diese Zellen werden in Kulturen gezüchtet und auf den Membranen aufgebracht – dort bleiben sie am Leben und in Funktion.
Der Vorteil dieser künstlichen Niere ist, dass sie keine Energieversorgung braucht und der bestehende Blutkreislauf ausreicht, um das Blut durch diese Niere zu pumpen – sie ist also energieautark. Außerdem benötigt die künstliche Niere kein Wasser, um Dialyseflüssigkeit (Dialysat) herzustellen.
Insgesamt eine faszinierende Perspektive, die bedeuten würde, dass Patienten einen beinahe vollwertigen Nierenersatz hätten und abgesehen von der notwendigen Operation zum Einbringen der Niere keinen Zusatzbelastungen ausgesetzt wären. Natürlich sind noch viele Details zu klären, aber der Weg ist das Ziel.
Kontakt und weitere Informationen
Dr. Alfred Markowitsch
Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie
Leiter Dialyse
Humanomed Zentrum Althofen
T: +43 (0) 4262 2071-0
E: alfred.markowitsch@humanomed.at